Wort des
Landesbischofs am Dienstag, 17. März 2020
für die Woche nach
dem Sonntag Okuli
„Meine Augen sehen
stets auf den Herrn…“ (Psalm 25,15)
Liebe Schwestern und
Brüder, liebe Pfarrerinnen und Pfarrer, liebe Mitarbeitende in den
Gemeinden!
Der vergangene Sonntag
war ein ungewöhnlicher Tag für unsere Landeskirche und für unser ganzes
Land. Wohl zum ersten Mal in unserer persönlichen Lebenserfahrung
wurden landeskirchenweit nahezu alle Gottesdienste abgesagt oder in
anderer Form gefeiert: mit kurzen Gebeten im Freien vor der Kirchentür oder mit
meterlangem Abstand in den Bänken, mit gedruckten Predigten daheim oder als
Hausgottesdienste im kleinen Kreis der Hausgemeinschaft oder Familie, über die
Medien oder über verschiedenste digitale Kanäle.
Viele Menschen waren
berührt, zum Teil vielleicht auch erschrocken angesichts dieser uns
bisher fremden Situation – auch mir ging es nahe, dass sich Gemeinden
nicht wie sonst im Kirchen- oder Andachtsraum miteinander versammelten,
auf Gottes Wort hören, gemeinsam beten oder das Heilige Abendmahl feiern konnten.
Und doch habe ich eine
große Bereitwilligkeit wahrgenommen, diese Maßnahmen zu unterstützen.
Pfarrerinnen und Pfarrer gestalteten kurzfristig ihre Gottesdienste um,
stellten Predigten zur Verfügung, waren erreichbar für seelsorgliche Gespräche,
boten in Kürze ganz neue Angebote und Formate an. Gottesdienstbesucherinnen und
Gemeindemitglieder zeigten Verständnis, beteten miteinander in anderer Form –
und stellten eigene Bedürfnisse zurück. Dafür möchte ich Ihnen allen von
Herzen danken!
Der Name
des vergangenen Sonntags Okuli – „Augen“ – weist auf eine doppelte
Blickrichtung. In Psalm 25,15 heißt es: „Meine Augen sehen stets auf den
Herrn…“ Der Sonntag Okuli, ruft uns mitten in der
Passionszeit zur Nachfolge Christi auf. Dabei lösen wir den Blick von
uns selbst und den eigenen Ängsten und sehen auf Gott. Wir fragen, wohin
uns der Weg der Liebe führt. Und erkennen: Christus, dem wir folgen, hat den
Schwachen gedient. Auf ihnen liegt in diesen Tagen unser Augenmerk: wenn wir
auf eigene Vorteile verzichten, um andere zu schützen. Wenn wir an Ältere und
Kranke denken, für sie beten und ihnen unsere Hilfe anbieten, damit sie diese
Zeit möglichst unbeschadet und ohne Angst überstehen.
Doch „Okuli“, die
Augen, tauchen auch im Wochenpsalm, in Psalm 34,16 auf: „Die Augen des
Herrn merken auf die Gerechten, und seine Ohren auf ihr Schreien.“ Das
ist Trost für all diejenigen, die sich nun für andere einsetzen – in Medizin
und Pflege, in Nachbarschaftshilfe und anderer Form. Trost auch für jeden
Einzelnen von uns: Auch wenn wir heute nur wenig Menschen zu sehen bekommen und
uns selbst vielleicht einsam und verlassen fühlen – aus Gottes Blickfeld sind
wir nicht geraten. Gott sieht uns, wo immer wir sind. Das schenke Ihnen Halt
und Zuversicht – auch in den kommenden Wochen, wenn Gottesdienste
(nunmehr durch staatliches Verbot) nicht mehr stattfinden können. Über
alle erdenklichen Kanäle – per Brief, Telefon, Fernsehen und Internet
sowie social media – sind wir als Kirche mit unseren
Gemeinden verbunden.
Gott befohlen!
Ihr
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July